Komu – erweiterte Möglichkeiten
Das Restaurant Komu in München ist derzeit in besonders vieler Munde, weil es in einer neuen TV-Serie mit Tim Raue vorkommt. Dass ich einen Abend vor der Ausstrahlung der Serie, von der ich bis dato nichts wusste, dort zu Gast bin, ist reiner Zufall.
Das Komu, dessen Name aus dem Japanischen stammt und im weitesten Sinn mit Gründlichkeit und Engagement zu tun hat, ist das erste eigene Restaurant von Christoph Kunz. Der kochte zuvor in Dallmayrs Alois auf Zwei-Sterne-Niveau und holte diese auch auf Anhieb in seiner neuen Wirkstätte zurück.
Das zeitgemäße Konzept – inklusive Chef’s Table und Schnitzel mit Kaviar zum Lunch – klingt nach Spaß und war für mich ein klares nächstes Ziel in München. Auf der Durchreise nach Bruneck in Südtirol war ich ohnehin in der Nähe.
Wenn man die Räumlichkeiten des Restaurants betritt, trifft man auf ein luftiges Ambiente mit hohen Decken, einer Bar und einem Hochtisch für größere Gruppen. Ein weitläufiger Bereich mit offenen, leicht erhöhten Sitzecken schließt daran an.
Meine Reservierung ist am Chef’s Table vor der Küche. Was diesen von vielen anderen Tresenkonzepten unterscheidet, ist seine kleine Platzanzahl von nur vier Sitzen, sowie die Tatsache, dass die der Küche zugewandten Seite des Tresens als Anrichtstation dient. So bekommt man als Gast zwar immer auch etwas vom Handwerk mit, hat aber dennoch genug Privatsphäre. In einer Zeit, in der viele Köche sich und ihre Küchen gerne umfangreich zelebrieren, ist das angenehm zurückhaltend.
Der Abend beginnt aber an der Bar im Eingangsbereich. Ich bestelle einen Negroni mit Mezcal statt Gin (15 €), eine kurzweilige Alternative zum Original. Dazu kommen erste Snacks aus der Küche.
Es gibt einen Taco mit Ceviche vom Saibling und diversen Mitspielern, u. a. Kopfsalat, »Kimchi-Sesam« und Tomate. Das ist ein willkommen herzhafter und schmeichelnder Auftakt, der aromatische Assoziationen an einen Hotdog erlaubt. Das ist bis in jedes Detail hervorragend. (8,5/10)
Es folgt eine Kartoffel-Tartelette mit dem Scherenfleisch von Kaisergranat sowie mit Mascarpone, Gurke und Purple Curry. Ohne den Kaisergranat allzu sehr in den Vordergrund zu stellen ‒ man kann ihn glatt vermissen ‒, ist der Snack frisch und mundfüllend cremig; nur die intensive, hibiskusbetonte Gewürzmischung ist mir etwas zu dominant. Dennoch in Summe eine Gaumenfreude. (7,5/10)
Angenehm ist, dass es hier am Bartresen zunächst bei zwei Snacks bleibt. Die leichten Kleinigkeiten bereiten Appetit und Vorfreude, bevor es dann an den Chef’s Table geht – alles in mäßigem, eigenem Tempo.
Aus der Weinkarte greife ich heute Abend mit einem 2017er Bonnes-Mares von der Domaine Comte Georges de Vogüé (1 056 €) in ein etwas höheres Regal – es gibt ein bisschen was zu feiern. Dass man in einem jung eröffneten Restaurant schon solche Schätze bereithält – zu einem fairen Kurs, wenn man das auf dem Niveau noch behaupten kann –, animiert neben der gelösten Atmosphäre und dem netten Team zusätzlich zum Kauf.
Mit diesem »Setup« geht es zunächst mit einigen Grüßen aus der Küche weiter. In Kirschblütenessig-Vinaigrette marinierter Thunfischbauch mit dünn geschnittenem grünem Spargel, roter Bete und Liebstöckel bietet einen herrlich maritimen Kick, der von der Frische der Gemüse unterstrichen wird. Die hervorragende Qualität des Thunfischs gelangt hier optimal zur Geltung, wenngleich ich vermute, dass man die Stücke noch etwas größer schneiden könnte, um Textur und Biss zu optimieren. (8,5/10)
Ein weiteres Amuse mit Popcornschaum, Apfel-Sellerie-Salat und N25-Kaviar wird als Signature dish angekündigt, doch die übermäßige Süße des Popcornschaums rechtfertigt das aus meiner Sicht nur bedingt. Das Gericht bleibt daher trotz der kurzweilig klingenden Zutatenkombination hinter den Erwartungen zurück, zumindest an dieser Stelle des Menüs. Als kleines Dessert könnte ich mir das besser vorstellen. (7/10)
Der nächste Gang präsentiert eine raffinierte Kombination aus männlichem Ikejime-Stör, der in Koji gebeizt und anschließend gegrillt wurde. Der Fisch beeindruckt durch seine feste Textur und wird durch eine samtige Pimiento-de-Padrón-Creme ergänzt. Eingelegte Bergamotte verleiht ein intensives florales Aroma, das durch grüne Tomate und einen Salat mit Vinaigrette aus abgetropften Tomaten und Stachelbeeren abgerundet und ausbalanciert wird. Ein Highlight – leicht, klar und auf den Punkt. (8,5/10)
Das nächste Gang ist eine Kreation um Kohlrabi, Birne und Rauchbutter. Der Kohlrabi wurde im Ofen gegart und oben »wie ein Schweinebraten« karamellisiert, doch der vegetarische Gang überzeugt auch ohne die vorgetragene fleischliche Parallele. Ein Chutney mit Chili liefert dazu eine dezente Schärfe, Öl aus Kohlrabigrün und weiterer, sauer eingelegter Kohlrabi bringen Frische ins Spiel. Ein Schaum aus geräucherter Butter ergänzt das Ganze mit einer rauchigen, nussigen Note. Trotz einer erneut recht prominenten Süße bleibt das ein hervorragendes Gericht. (7,9/10)
Die lockere Stimmung am Tresen bereitet Spaß. Küchenchef Kunz und sein Team pendeln immer wieder zwischen Küche und Tresen, um Gänge fertig anzurichten und sind dabei – trotz hoher Konzentration – immer auch für einen kurzen Austausch zu begeistern.
Bei Kaisergranat ist Größe ein Indiz für Qualität, weswegen das bananengroße Exemplar auf dem folgenden Teller besonders vielversprechend aussieht. Eine Glasur aus Honig und Sojasauce, die man in der Pfanne hinzugegeben hat, verleiht dem luxuriösen Krustentier Glanz und Röstnoten. Kunz macht hier alles richtig und kombiniert nicht viel, aber treffend. Ein Sud aus Fischkarkassen mit ätherischem Estragon, intensiver Salzzitrone und verblüffend aromatischen Champignons bringt Spannung, Komplexität und eine ausgezeichnete Balance zum nussig-süßen Krustentier. Qualitativ ist das einer der besten Kaisergranate, die ich seit Längerem probiert habe. (8/10)
Die folgende Kombination aus Rotbarbe, Erbse und Ingwer spricht mich schon auf der Speisekarte besonders an. Die portugiesische Rotbarbe ist mi-cuit gegart und leicht gegrillt, wodurch sie eine saftige und feste Struktur bekommen hat. Ein Ragout aus Erbsen, Ingwer und Jalapeños, auf das der Fisch gebettet ist, begeistert mit eindrucksvoll aromatischen Erbsen, die man in unseren Breiten selten findet. Ein leichter, aufgeschäumter Sud aus Rotbarbenkarkassen erinnert an eine leichte Version einer Bouillabaisse. Der reduzierte – aber nicht minimalistische – Produktfokus aus Kunz’ Küche bereitet weiterhin großes Vergnügen. (8/10)
Der letzte herzhafte Gang präsentiert ein Stück »alte Kuh« (Txogitxu), das mit einer »Tapenade« aus Fichtensprossen, Croutons und Schnittlauch bestrichen ist. Die buttrigen Croutons ergänzen das magere, aber aromatische Fleisch auf gaumenschmeichelnde Weise um etwas Fett und zwiebelige Röstaromen. Eine aromatische Sauce auf Basis des Bratensatzes und eine perfekt abgeschmeckte Hollandaise mit Ochsenmark komplettieren diesen puristischen, aber handwerklich hervorragend gelungenen Teller. Ein frischer, kühler Salat mit knackigem weißem Spargel, säuerlich angemacht, bringt dazu spannungsvolle Kontraste. Das ist souverän, puristisch und köstlich. (8/10)
Einen Käsegang gibt es in Form einer Art Salat mit Brin d’Amour, Gurke, Honig- und Wassermelone. Angerichtet ist die sommerliche Kombination in einer kühlen Tomatenessenz; obenauf drapierte Holunder- und Tagetesblüten verleihen dem Gang elegant florale Aromen. Das schmeckt alles exzellent, vor allem setzt sich der Käse passend durch, sodass man den Gang auch zweifelsfrei als Käsegang wahrnimmt. Die Kreation hat einen leicht mediterranen Charakter, ist originell und weiterhin auf hohem Niveau. (8/10)
Das erste Dessert rankt um Erdbeere. Es gibt davon ein Sorbet, einen Schaum und »Grütze«, dazu eine an Vanille erinnernde Pandan-Creme. Luxuriös vollendet wird die exzellente Kombination mit Kaviar und Champagner. (8/10)
Es folgt noch ein Milcheis mit Kakaobohne auf verschiedenen Zubereitungen von Sauerkirsche. Rosa Pfeffer belebt das Ganze auf charmant pikante Art, während das kühlende, cremige Eis dafür sorgt, dass hier nichts aus dem Ruder läuft. Das ist erneut hervorragend, wie auch noch ein paar abschließende Petit-fours. (8/10)
Die Küche im Komu erfindet nichts neu ‒ im Gegenteil, man schmeckt das klassisch französische Fundament mit hervorragenden Produkten und souverän reduzierten Zubereitungen. Dass man hier nicht in einer Experimentierküche sitzt, die sich selbst zelebriert, ist auch in hohem Maße fördernd für den Genuss und die Stimmung im Restaurant. München hat sich längst zur Fine-Dining-Metropole der Republik gemausert, das Komu ergänzt diese Möglichkeiten weiter. Und jetzt geht es noch auf einen Absacker in die Grapes Weinbar. Apropos Möglichkeiten.