Polo Lounge – verblasste Ära
Obwohl Modemacher Ralph Lauren inzwischen auch Restaurants betreibt, z. B. die begehrte Polo Bar in New York oder das von mir gerade erst besuchte RL Restaurant in Chicago, hat die Polo Lounge in Beverly Hills nichts mit der Modemarke zu tun.
Die Polo Lounge befindet sich im The Beverly Hills Hotel, einer Ikone der goldenen Ära Hollywoods, inzwischen restauriert und betrieben von der Dorchester-Hotelgruppe. Während ich einige Tage in West Hollywood verbringe, bevor es danach weiter nach San Diego geht, habe ich nicht viel Fine Dining auf meiner Agenda.
Mit der Polo Lounge, dem Dante, Spago und einem legeren Lunch im Château Marmont haben es mir hier in L.A. diesmal eher atmosphärische und nostalgische Orte angetan. Ich möchte noch irgendwas von dem glamourösen Hollywood erhaschen, für das ich vermutlich Jahrzehnte zu spät komme.
Die Geschichte der Polo Lounge beginnt sogar schon in den 1920er-Jahren. Damals versammelten sich hier tatsächliche Polospieler nach ihren Turnieren. Das Hotelrestaurant wurde so zu einem elitären Treffpunkt in Beverly Hills, diente später nicht selten als Kulisse für viele Filmszenen – und existiert bis heute.
Der ganze Ort – vom Eingangsbereich des Hotels mit dickem rotem Teppich über die ebenfalls mit schwerem Teppich ausgestattete Bar, an der ich einen viel zu wässerigen Basil Collins trinke, bis zum Außenbereich des Restaurants, wo ich reserviert habe – wirkt tatsächlich wie aus der Zeit gefallen.
Nur, dass hier heute keine Stars sitzen, sondern eher gutbetuchte Hotelgäste, mutmaßlich aus Ländern, bei denen man sich fragt, wie schwierig sich wohl die Einreise in die USA gestaltet. Die Stimmung auf der Terrasse, mit viel Vegetation, Livemusik und warmem Licht aus Hunderten Glühlampen, ist in jedem Fall sehr angenehm.
Inhaltlich lässt sich die Speisekarte am besten als eine Mischung aus kalifornischer und europäischer Küche beschreiben. Suppen, Salate, Fisch, Pasta, Steaks, Beilagen, alles recht sportlich bepreist. Gerichte unter 50 $ netto (ca. 50 €) findet man kaum.
Aus der umfangreichen Weinkarte, die mit einem Wine Spectactor Award of Excellence ausgezeichnet ist, entscheide ich mich für einen 2020er Pinot Noir »Bucher Vineyard« von Williams Selyem (250 $).
Ich bestelle zuerst zwei Kleinigkeiten zum Teilen. Hummus mit Gemüsen (38 $) bekommt dank Feta und Piment d’Espelette einen pikant-frischen Twist und eignet sich gut, um ihn mit den aromatischen Gemüsesticks oder etwas Brot wegzusnacken. Das ist gut abgeschmeckt und qualitativ einwandfrei, aber der Preis ist natürlich ein Unding. (6,5/10)
Einer Tomatensuppe mit Tortilla-Streifen, gegrilltem Huhn, Frischkäse, Frühlingszwiebeln und Avocado (22 $) fehlt es etwas an Salz; zudem ist sie extrem heiß, was mich verwirrt, aber besser ist als lauwarm. Geschmacklich ist das in Ordnung, der Feta bringt etwas Kühle, das Maisgebäck etwas Knuspriges. Nichts zum Staunen. (6,5/10)
Linguine vongole (58 $, im Bild eine halbe Portion) mit Herzmuscheln, kalabrischer Chili, Knoblauchbutter und Brotkrumen hat milde Meeresaromen und eine leichte Schärfe, aber auch hier findet man nichts Bemerkenswertes. Die Pasta ist gut eingekauft und ansprechend bissfest gegart – das geht alles schlechter, aber für sechzig Dollar kann man sich erheblich besser sattessen. (6,5/10)
Überhaupt nicht lustig ist danach das »14 oz. Steak au Poivre« für 82 $ (im Bild nur die Hälfte, da zum Teilen auf zwei Tellern serviert). Das Prime NY Strip kommt mit einer Brandy-Pfeffersauce und frittierten Zwiebeln, Letztere eine pappig-ranzige Katastrophe. Das Fleisch ist nicht besser, denn obwohl es rosé aussieht, ist es zum Sägen zäh, vermutlich ein Qualitätsproblem. Ich bin ohnehin nicht mehr hungrig. Das Gericht wird reklamiert und auch kommentarlos von der Rechnung gestrichen. (5/10)
Ein bisschen von dem guten Pinot ist noch im Glas, um den Abend ausklingen zu lassen, aber schön trinken kann ich mir das Essen auch nicht. Die guten alten Zeiten sind hier wohl endgültig passé.